Samstag, 19. November 2016

'Achterbahnfahrt'



Mein Blog liest sich bisher ja nur positiv, kein Heimweh, keine Probleme mit der Gastfamilie - es scheint alles perfekt. Nun ja, perfekt ist das Leben nie, aber solche 'Probleme' hatte ich bisher ehrlicherweise (noch) nicht. Dieser Blog ist in erster Linie, um meine Familie, Freunde und Bekannten auf dem Laufenden zu halten, denn nach den zehn Monaten ist es unmöglich, jedes Abenteuer erzählen zu können und immer wieder jedem einzelnen auf die Frage "Wie geht es dir? Was hast du schon so erlebt?" zu antworten, kostet viel Zeit - deswegen der Blog. Aber es soll auch eine spätere Erinnerung für mich selbst sein, ja, eine Art (öffentliches) Tagebuch und mir ist es sehr wichtig, dass ich die Text ehrlich verfasse.

Die Woche (14.11.16 bis 20.11.16)  begann total normal. Wir hatten Halfdays in der Schule, also nur drei Stunden und ich war schon um halb zwölf zu Hause. Gut, die Tatsache, dass das in Deutschland praktisch die Herbstferien gewesen wären, hat meine Freude etwas betrübt. ;-P  Aber komischerweise fühle ich mich wirklich sehr erholt, meine neun Stunden Schönheitsschlaf können jetzt ruhig mal auf unter acht Stunden Schlaf reduziert werden und ich fühle mich beim Aufwachen wie neugeboren. ;-D Generell komme ich besser aus dem Bett und gehe ohne fluchende Gedanken in die Schule, auch die einstündige Busfahrt ist mir egal geworden - es kann schon schön sein, das Leben einfach passieren zu lassen, ohne diese vielen unnötigen Gedanken im Kopf. Aber trotzdem soll keiner denken, dass ich gerne zur Schule gehe! ;-)

Linda war mit ihrer Tochter Angie und Enkelin Guiliana bis Donnerstag unterwegs, Alan und ich waren also alleine. 
Am Dienstag hatte ich wieder Drilltraining, wir haben ein paar Basics bei einer anderen Trainerin geübt und ich muss ehrlich sagen, dass das ganze viel schwieriger ist, als es aussieht .... die ganze Choreografie geht am Ende drei bis vier Minuten, alles im Galopp und das mit elf Reitern. Wir hatten natürlich gleich im ersten Manöver einen Crash, Oney und ich mittendrin. Es ist nichts weiter passiert, trotzdem blicke ich dem ganzen jetzt sehr vorsichtig in die Augen ....

Mittwoch hatten wir dann einen Sprechtag bei meinem Klassenlehrer (die Woche über waren "Conferencedays" und es ist Pflicht hinzugehen) für 15 Minuten. Mann ist Mann und man hat es Alan angesehen, dass es ihm eigentlich egal ist, was besprochen wird. :'-D Ich bin eine sehr ruhige und respektvolle Schülerin - dazu muss ich sagen, dass es größtenteils in den USA keine mündliche Bewertung gibt; warum sollte ich dann auch etwas sagen?! Zu mal ich Brüche, den Wurzelkram und alles andere nicht so toll auf Englisch sagen kann! :-D und er schätzt es sehr, dass ich jeden Morgen "Good morning" sage (#angeben ;-P), so bitchplease ohne etwas zu sagen in den Raum zu gehen, könnte ich absolut nicht. Anyway. Am Nachmittag bin ich dann Oney mit dem Englischsattel gereitten und oh mein Gott!!!! Das war pure Liebe, schon alleine den Sattel zu berühren - Dauergrinsen pur, da musste sogar die Sonne hinter den Wolken mal herschauen. ;-) Ich habe ihn nur locker gearbeitet und konsequent darauf geachtet, dass er auch im Rechtsgalopp auf der rechten Hand ist, den Galopp auf der linken Hand habe ich weggelassen, da der Rest gut war und man jedes Training positiv beenden sollte.

Donnerstag war ich erstmal alleine, da Alan Lauren und Quincy von der Schule abholen musste. Erst hatte ich mir etwas Hähnchen gebraten und dann wollte ich das Experiment "Schokokuchen" starten, denn Linda hatte am Samstag Geburtstag! Trotz, dass ich nicht die Zutaten hatte, die ich für den Kuchen benötigte, blieb ich optimistisch und habe improvisiert. Auch wenn ich so ziemlich von diesen Fertigbackmischungen/-produkten genervt bin ... Zuerst ging es schon damit los, dass ich den Teig nicht richtig mit dem Mixer durchgerührt habe. Ungeduld lässt grüßen, wobei ich das noch lustig fand, bin so typisch ich und ist ja auch kein Drama, so ein paar Klümpchen. ;-) Leider hat sich meine Laune immer weiter gestaut, die Milch ist wirklich aufgequollen und dieser komische Pudding hat mein Fass zum Überlaufen gebracht! Die Hühner haben sich über die Puddingklumpen oder was auch immer es war gefreut und ich durfte das Chaos beseitigen, 30 Minuten lang ... definitiv 30 Minuten zu viel, wobei ich die überschüssige Energie so losgeworden bin. Trotzdem musste ich nochmal auf's Pferd. Es fing schon total bescheiden an ... Oney hatte wohl auch einen schlechten Tag. Als ich nach intensiver Aufwärmphase rechts angaloppiert bin, brach er mir sofort aus und ist wieder auf einen Baum zugerannt, das ganze passierte noch zwei weitere Male, bis ich dann abgesprungen bin und ihm klarmachen wollte, dass ich diese Spielchen nicht mitmache. Eigentlich hätte es mir klarsein müssen, dass das nichts mehr wird heute, denn er war an diesem Tag total kopflos und hat sich mit aller Kraft gegen meine Hilfen gestellt. Und kurz nach dem ich wieder im Sattel war, befanden wir uns schon mitten in den tiefhängenden Ästen. Reflexartig hatte ich mich auf den Rücken gelegt und die Augen geschlossen, innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde prallte ich mit dem Rücken auf den Boden, ein kurzer Krampf durchzog meine linke Wade und ließ mich realisieren, dass ich ein paar Zentimeter neben dem Stacheldraht aufkam. Oney stand nur da
und hat mich schockiert angeguckt, ich dachte, dass er jetzt wegrennt. Ich stand ebenfalls unter Schock und eine Welle von undefinierbaren Gefühlen, vorallem Enttäuschung, überrollte mein Inneres. Nach dem ich mich gesammelt hatte, stieg ich wieder auf. Das Training war jedoch beendet, der Weg führte uns nur noch in den Stall. Im Sattel zurück bemerkte ich dann auch, dass meine Reithose am rechten Oberschenkel total aufgerissen war, das hat so eniges abgefangen ... Während ich die Kühe und Pferde noch fütterte, blieb Oney außerhalb stehen. Klar, sein Vertrauen war weg, meins genauso. Der Tag war für mich gelaufen, ich konnte einfach nicht glauben, was da passiert ist .....

Jetzt zwei Tage später kann ich die vorgefallene Situation schon besser verstehen, auf meine in dem Moment wichtigste Frage: "Warum habe ich die Kontolle trotz langer, intensiver Reiterfahrung so verloren?" Fand ich eine Antwort. Oney ist ein Mustang, diese Rasse ist willensstark und robust, robuster als andere. Genau deswegen hat/hätte er alle Kraftreserven eingesetzt, um meinen Willen zu entkommen, das er letzendlich auch geschafft hat.

Es war ein ungüstiger Moment, einfach ein blöder Tag, so etwas passiert im Leben nun mal. Allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass es schon öfters unter anderen Umständen in kurzer Zeit hintereinander passiert ist. Ich könnte es jetzt lassen und eben nicht mehr auf der Weide reiten, stattdessen halt nur in der Reithalle, dann ist das Problem "Baum" beseitigt, jedoch sind die Bäume nicht das Kernroblem, sondern sie sind der Auslöser gewesen, die Ursache liegt aber woanders.

So schwer es mir fällt, aber das Projekt Oney ist für beendet. Es stößt jetzt vielleicht bei vielen auf unverständlichen Grund. Es kommt plötzlich, ich habe bisher nur positiv von unserer Arbeit berichtet und auf einmal soll alles vorbei sein? Ein Ausrutscher und ich schmeiße alles hin? Es fällt mir unendlich schwer, ihn aufzugeben, dieses Pferd ist etwas besonderes, es ist unglaublich wie weit wir in dieser kurzen Zeit gekommen sind. Normalerweise gebe ich nicht so schnell auf und meine Entscheidung verletzt mich selbst. Oney ist nicht mein Pferd, unsere gemeinsame Zeit wäre auf absehbarer Zeit vorbei gewesen, nämlich Ende Juni, wenn es für mich zurück nach Hause geht. Eine gute, stabile Beziehung zwischen Pferd und Reiter kommt nicht innerhalb zehn Monate und schon gar nicht bei einem so sensiblen Charakter wie er hat. Ich habe versucht, ohne großen Druck zu arbeiten, im Zeit zu geben, er hat trotzallem sehr schnell gelernt. Leistungsdruck besteht jedoch immer, mit im Reitteam sein, nicht all zu schlecht abschneiden, ich habe versucht, es nicht all zu stark an uns heranzulassen.
Eine ähnliche Situation wie am Donnerstag kann immer wieder passieren; wer versichert mir, dass es genauso harmlos endet wie letztens? Mein größter Albtraum: im Rollstuhl zu sitzen. Natürlich bewege ich mich mit dem Reitsport auf sehr dünnem Eis, der Risikofaktor ist bei der "sechst gefährlichsten Sportart der Welt" natürlich höher als bei anderen Sportarten. Begibt man sich in den Sattel, dann lebt man mit dem Gedanken, dass es der letzte Ritt sein kann. "[...] Das Pferd ist ein Individuum, das man in manchen Situationen nicht mehr kontrollieren kann.[...]" (http://eatsmarter.de/gesund-leben/news/achtung-die-9-gefaehrlichsten-sportarten-der-welt). Für mich persönlich ist es ein großer Unterschied, ob ich mit meinem Pferd in Deutschland beispielsweise auf einen Sprung zu reite und die Distanz nicht gepasst hat, sowas ist unvorhersehbar. Bei Oney jedoch war es einsehbar und auch bei den vergangen Male war die Kontrolle mehr Glück als alles andere und ich wusste, was passieren kann, habe den Teufel jedoch nicht schon an die Wand gemalt.

Mir ist mein Leben wichtig. Meine Pläne bauen nur auf meiner Gesundheit auf. Ich möchte gesund und glücklich wieder zurück nach Deutschland fliegen, mit meinem Pferd Felix weitere Hindernisse überqueren, die Freiheit und den Wind in den Haaren bei einem Strandgalopp mit ihm spüren. Ich bin nicht in die USA geflogen, um ein Pferd einzureiten, es auszubilden, damit es nach meiner Auslandszeit sowieso nur wieder auf der Weide steht.

Eine Tür in meinem Leben hat sich jetzt geschlossen, irgendwo hat sich aber eine weitere, neue Tür geöffnet und nichts destotrotz " A missed chance is just the beginning of something new!"

Ich könnte jetzt sagen, dass es mir egal ist, was andere denken und wohl auch denken werden, wenn ich es hier vor Ort endlich auch gesagt habe. Nur leider ist es das nicht, da muss ich weiterhin meinen Ehrgeiz zügeln und loyal hinter meinen Entscheidungen stehen. Den ersten Schritt in die richtige Richtung habe ich so eben mit diesem Text getan und das Gefühlschaos in mir beseitigt - morgen habe ich immer noch die Chance, die Woche toll zu beenden und bitte denkt immer dran; Shit happens - Life goes on!
Und hier gleich noch ein Zitat: Just hold on, because who's to say tomorrow won't be the best day of your life? (Halte einfach durch, denn wer sagt, dass morgen nicht der beste Tag deines Lebens wird?)

Und btw ich bin echt ein Held, könnte echt schwören, dass Blogspot definitiv kein Smileyprogram hatte ... jetzt jedoch schon. 😂😂 ab dem nächsten Mal gibt's dann auch bessere Smiley, anstatt ";-P", wenn ich mal wieder drauflos schreibe und keinen Text über Fb-Messenger vorverfasse, da hatte ich ja vorher die Smileys her.
Gute Nacht jetzt!!!! 😘

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